Von Selbstkritik zu Selbstfürsorge: Ein Wegweiser zur Körperakzeptanz

In einem meiner letzten Blogartikel ging es um ein verzerrtes Körperbild, seine Entstehungsweise und die Folgen. Heute soll es darum gehen, wie du mehr Akzeptanz für deinen Körper aufbauen kannst (ganz unabhängig davon, ob dein Körperbild stark verzerrt ist oder relativ akkurat). Akzeptanz ist der Schlüssel zu einem besseren Verhältnis zu unserem Körper. Oft höre ich von Klientinnen: „Ich würde meinen Körper ja gerne akzeptieren, aber solange ich noch übergewichtig bin/ keine Muskeln aufgebaut habe/ sich dies oder das nicht verändert hat, kann ich ihn einfach nicht annehmen“. Ist das wahr? Aus meiner Sicht sind diese Punkte weitgehend unabhängig voneinander. Es handelt sich dabei um Glaubenssätze, die eine Veränderung verhindern. Akzeptanz ist erst einmal komplett unabhängig von deinem körperlichen Zustand. Es geht nicht darum, dass du deinen Körper schön finden musst. Das erste Ziel ist es, dass du dich nicht mehr aufgrund deines Körpers abwertest, freundlich mit dir umgehst und das Thema Aussehen vielleicht auch etwas weniger Platz in deinem Leben einnimmt. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Das geht mit jeder Körperform und es lohnt sich.

Aber lass uns konkreter werden:

Was kannst du tun?

Zunächst ist es wichtig, dir bewusst zu machen, wie du eigentlich über deinen Körper denkst und mit ihm umgehst. Oft laufen ganz viele dieser Gedanken und Handlungen nämlich automatisch ab. Dazu gibt es ganz verschiedene Möglichkeiten. Du kannst einen Tag Zettel und Stift parat legen und jeden Gedanken, der dir zu deinem Körper einfällt, aufschreiben. Oder du stellst dich ein paar Minuten vor den Spiegel, betrachtest dich aufmerksam und schreibst dann alle Gedanken auf, die dir in den Sinn kommen. Auch eine Mindmap kann gut funktionieren. Wenn du deine Gedanken zu deinem Körper erfasst hast, lies sie dir in Ruhe durch. Gerne auch laut (und wenn du ganz mutig bist, stell dich vor den Spiegel und schau dir selbst in die Augen dabei). Wie ist das Verhältnis aus positiven und negativen Kommentaren? Würdest du so auch mit einem Fremden sprechen? Mit einer Freundin? Sind die Kommentare neutral oder wertend? Was empfindest du, wenn du die einzelnen Gedanken laut aussprichst? Fühlst du dich gut und ermutigt oder traurig, wütend oder voller Scham? Wie reagiert dein Körper auf die Kommentare? Fühlst du einen Kloß im Hals? Spannung in den Armen? Oder ein angenehmes warmes Gefühl? Versuche, all das genau zu beobachten.

Welche Schlüsse ziehst du aus deinen Beobachtungen? Bist du zufrieden damit, wie du mit dir selbst umgehst? Oder würdest du gerne etwas daran verändern?

Nach dieser ersten Bestandsaufnahme gibt es verschiedene Ansatzpunkte. Drei davon möchte ich dir hier vorstellen:

1. Gedankenstopp und höfliche Selbstgespräche: Hierbei geht es konkret darum, die abwertenden Gedanken über den eigenen Körper (oder die eigene Person im Allgemeinen) zu reduzieren. Vielleicht hast du festgestellt, dass du mit dir so redest, wie du mit keiner anderen Person reden würdest. Lass uns mal davon ausgehen, dass du ein Mensch wie jeder andere bist und daher auch einen höflichen Umgang verdient hast. Wahrscheinlich würdest du dich gegen die gleichen Kommentare auch eher wehren, wenn sie von außen kommen würden oder dich zumindest wütend und verletzt fühlen. Vielleicht hast du die gleichen Kommentare auch irgendwann in deinem Leben von außen gehört und gut verinnerlicht. Lass uns daran arbeiten, dies zu reduzieren. Unser Gehirn ist ein Gewohnheitstier. Es ist für unseren Alltag total wichtig, dass wir nicht über jede Entscheidung, jeden Schritt nachdenken müssen. Das heißt aber auch, dass es immer wieder das wiederholt, was wir häufig geübt haben. Zum Beispiel beim Vokabellernen, aber auch bei unseren inneren Selbstgesprächen. Wenn ich also zum Beispiel seit Jahren darüber nachgrübele, wie hässlich mein Bauch doch aussieht, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass dieser Gedanke immer wieder ausgelöst wird und sich der Gedanke „mein Bauch ist ganz in Ordnung“ eher nicht auftritt. Du hast im Prinzip eine Autobahn im Kopf für abwertende Gedanken. Der neutrale oder positive Gedanke muss sich dafür mit der Machete durch den Wald schlagen und durch ein Sumpfgebiet waten. Sprich: Wahrscheinlich kommt er gar nicht an. Was kannst du jetzt tun? Versuche im Alltag deine Gedanken immer wieder zu beobachten und zu prüfen: „Würde ich so auch mit jemand anderem sprechen?“. Ist die Antwort nein, versuche den Gedanken bewusst zu stoppen. Dafür kannst du dir ein Stoppschild vorstellen, Nein oder Stopp deutlich denken oder auch sagen. Versuche dann einen alternativen Gedanken zu formulieren. Es kann gut sein, dass sich das anfangs nach Selbstbetrug anfühlt (der negative Gedanke ist ja deine jetzige „Wahrheit“), das ist aber gar nicht schlimm. Je länger du diese Übung durchführst, desto realer wird sich der Alternativgedanke anfühlen. Wie lange das dauert, ist ganz unterschiedlich, aber meiner Erfahrung nach wird oft nach einigen Wochen eine Aufwärtsspirale ausgelöst und ein gesunder Umgang mit dir selbst wird immer einfacher werden. Manchmal erlebe ich aber auch, dass KlientInnen Schwierigkeiten haben, diese Veränderung vorzunehmen. Das kann ganz unterschiedliche Gründe haben, die es dann gilt herauszufinden. Zögere dabei nicht, dir professionelle Hilfe, zum Beispiel in Form von psychologischer Beratung, zu holen.

2. Fokusverschiebung: Oft sind wir bei unserem Körper nur auf das Aussehen fokussiert. Mein Eindruck ist: Je schlechter das Selbstbild ist, desto geringer ist auch die Wahrnehmung des eigenen Körpers. Ich möchte dich ermutigen, neue Wege in die physische Wahrnehmung deines Körpers zu suchen. Schließlich leistet er jeden Tag Großartiges: Er kümmert sich um 17.280 bis 28.800 Atemzüge, zwischen 86.400 und 144.000 Herzschläge, trägt uns von A nach B, wehrt Krankheiten ab, regelt unseren Blutzucker und unser Energielevel, alarmiert uns bei Gefahr und vieles mehr. Selbst wenn er dann nicht der bestaussehende Körper dieser Welt wäre, ist das doch eine extreme Leistung, oder? Mach doch mal eine Liste damit, was dein Körper heute alles für dich getan hat. Vielleicht schaffst du es ja auch, ihm dafür ein Dankeschön auszusprechen.

Wie kannst du dein Körpergefühl verbessern? Ein Aspekt ist Bewegung. Dabei geht es aber erst einmal nicht um die sportliche Leistung, Druck oder verbrannte Kalorien, sondern darum zu spüren, was dein Körper kann, wo seine Grenzen sind, was sich angenehm oder unangenehm anfühlt. Das kannst du in jeglicher Form von Bewegung erkunden, besonders eignen sich aus meiner Sicht dafür Yoga und freies Tanzen. Erkunde doch mal, wie sich dein Körper gerne bewegen möchte, wenn du alleine bist und deine Lieblingsmusik hörst. Oder achte ganz achtsam beim Yoga darauf, welche Bewegung sich besonders angenehm anfühlt. Vielleicht gibt es ja auch eine Aktivität, die du immer schon mal austesten wolltest? Klettern, Trampolin springen oder ein Hochseilgarten? Trau dich. Versuche ganz bewusst zu spüren, wie sich dein Körper bei all diesen Aktivitäten anfühlt. Nimm dir dabei eine kindliche Neugier als Vorbild. Also kein Frust aufbauen, sondern mit Neugier und Geduld immer weiter erkunden, was dein Körper kann und wie sich das anfühlt. Es gibt kein richtig oder falsch. Versuche möglichst keine Wertungen vorzunehmen.

Aber auch unabhängig von sportlicher Aktivität kannst du deine Körperwahrnehmung verbessern. Als nächstes stelle ich dir drei Übungen dazu vor:

Bodyscan: Hierbei geht es darum, achtsam und ohne Wertung wahrzunehmen, wie sich dein Körper jetzt im Moment anfühlt. Und so geht es:

  – Suche einen ruhigen und bequemen Ort, an dem du dich entspannen kannst, ohne gestört zu werden.

  – Setze dich in eine bequeme Position, entweder auf einem Stuhl oder auf dem Boden. Schließe sanft deine Augen.

  – Beginne, deine Aufmerksamkeit auf deinen Atem zu lenken. Spüre, wie sich dein Atem in deinem Körper bewegt, während du ein- und ausatmest.

  – Lasse deine Aufmerksamkeit langsam durch deinen Körper wandern, beginnend mit deinen Füßen. Spüre, wie sich deine Füße auf dem Boden anfühlen. Bemerke eventuelle Spannungen oder Unbehagen und versuche, sie einfach zu beobachten, ohne sie zu bewerten oder zu ändern.

  – Arbeite dich langsam nach oben durch deine Beine, deinen Bauch, deine Brust, deine Arme, deinen Nacken und deinen Kopf. Nimm dir Zeit, jeden Teil deines Körpers bewusst zu spüren.

  – Wenn du auf einen Bereich triffst, der besonders verspannt oder unangenehm ist, atme sanft in diesen Bereich hinein und erlaube ihm, sich zu entspannen.

  – Fahre fort, deine Aufmerksamkeit durch deinen gesamten Körper zu lenken, bis du das Gefühl hast, ihn vollständig wahrgenommen zu haben.

  – Zum Schluss nimm noch einmal ein paar tiefe Atemzüge und spüre, wie sich dein Körper mit jedem Ein- und Ausatmen entspannt.

  – Wenn du bereit bist, öffne langsam deine Augen und nimm deine Umgebung wieder bewusst wahr.

Gehmeditation: Dabei geht es darum, sich ganz achtsam in der Bewegung mit dem Körper zu verbinden. Und so geht es konkret:

  – Finde einen ruhigen Ort zum Gehen, idealerweise im Freien oder in einem ruhigen Raum. Stelle sicher, dass du genug Platz hast, um ungefähr 10 bis 15 Schritte geradeaus zu gehen.

  – Stehe aufrecht und entspannt, mit den Armen locker an den Seiten. Nimm ein paar tiefe Atemzüge, um dich zu zentrieren und im Moment anzukommen.

  – Beginne langsam zu gehen, deine Schritte bewusst und achtsam setzend. Spüre den Kontakt deiner Füße mit dem Boden und bemerke die Empfindungen in deinen Füßen und Beinen.

  – Richte deine Aufmerksamkeit auf den Akt des Gehens selbst. Bemerke den Wechsel zwischen dem Anheben und Absetzen jedes Fußes, das Vorwärtsbewegen deines Körpers und den Rhythmus deines Atems.

  – Wenn deine Gedanken abschweifen, kehre sanft zur Wahrnehmung deines Gehens zurück. Erlaube dir, einfach im Hier und Jetzt zu sein, ohne Urteile oder Erwartungen.

  – Achte auf deine Umgebung und bemerke die verschiedenen Sinneseindrücke – die Geräusche um dich herum, die Luft auf deiner Haut, die Farben und Formen, die du siehst.

  – Wenn du am Ende deines Weges angekommen bist, bleibe einen Moment stehen und spüre die Ruhe und Gelassenheit in dir. Nimm noch ein paar tiefe Atemzüge, bevor du dich umdrehst und langsam zurückgehst.

  – Wiederhole diesen Prozess mehrmals, während du hin und her gehst, und nimm dir Zeit, die tiefe Entspannung und Verbundenheit zu genießen, die diese Gehmeditation bringen kann.

Den eigenen Körper mit den Händen erkunden: Deinen eigenen Körper von außen richtig zu fühlen und wahrzunehmen, kann dir auch helfen, ein besseres Verhältnis aufzubauen. Vielleicht hast du dabei ersteinmal Hemmungen, aber ich möchte dich ermuntern es einmal auszuprobieren. Suche dir einen gemütlichen und ruhigen Ort und streiche sanft über deinen Körper. Versuche im Verlauf der Übung, deinen ganzen Körper zu berühren. Lenke den Fokus auf die Sensationen, die du dabei spürst. Welcher Druck ist angenehm? Wie fühlt sich das Körperareal an? Ist es weich oder fest? Warm oder kalt? Empfindlich oder unempfindlich? Wo fühlen sich Berührungen angenehm an, wo weniger? Versuche auch hier wieder mit großer Neugier und möglichst wenig Bewertung heranzugehen.

3. Spiegelmeditation:

In der letzten Übung geht es um eine Meditation vor dem Spiegel. Dies kann hilfreich sein, um neue Erfahrungen zu machen. Im Fokus steht nicht sich selbst zu bewerten, sondern möglichst achtsam und wohlwollend zu betrachten. Hier eine kleine Anleitung:

  – Finde einen ruhigen Ort, an dem du ungestört bist und in dem es einen Spiegel gibt, in den du bequem schauen kannst. Stelle sicher, dass der Raum gut beleuchtet ist und du dich wohl fühlst.

  – Setze dich oder stelle dich vor den Spiegel und nimm eine entspannte, aufrechte Position ein. Schließe deine Augen und atme ein paar Mal tief ein und aus, um dich zu zentrieren und im Moment anzukommen.

  – Öffne langsam deine Augen und schaue in den Spiegel. Betrachte dein Spiegelbild ruhig und ohne Urteil. Nimm dir Zeit, um die verschiedenen Aspekte deines Gesichts und deines Körpers zu betrachten.

  – Beginne, deine Aufmerksamkeit auf deine Atmung zu lenken. Spüre, wie sich dein Bauch hebt und senkt, während du ein- und ausatmest. Erlaube deinem Atem, dich zu beruhigen und zu entspannen.

  – Schaue weiterhin in den Spiegel und betrachte deine Gedanken und Emotionen, die beim Anblick deines Spiegelbildes auftauchen. Bemerke, ob du dich selbst beurteilst oder kritisiert fühlst, und erlaube dir, diese Gedanken und Gefühle einfach zu beobachten, ohne daran festzuhalten.

  – Versuche, eine mitfühlende und liebevolle Haltung gegenüber dir selbst einzunehmen, während du in den Spiegel schaust. Erinnere dich daran, dass du einzigartig bist und Wert hast, genau so, wie du bist.

  – Während du weiterhin in den Spiegel schaust, sage dir selbst liebevolle und positive Affirmationen. Sprich leise oder in Gedanken Sätze wie “Ich akzeptiere mich selbst vollständig”, oder “Ich bin genug, genau so, wie ich bin”.

  – Nimm dir Zeit, um dich in deinem eigenen Spiegelbild zu sehen und zu erkennen.

  – Beende die Meditation, indem du langsam aus dem Spiegel schaust und dich bedankst für die Zeit, die du dir genommen hast, um dich selbst zu würdigen und zu akzeptieren.

Fazit: Je besser du dich mit deinem eigenen Körper verbinden kannst, desto wichtiger wird es wahrscheinlich auch für dich werden, ihn zu wertschätzen und gut mit ihm umzugehen. Sei es dem natürlichen Bedürfnis nach Bewegung nachzugehen, dich im großen und ganzen gesund und ausreichend zu ernähren oder dich auszuruhen und genug zu schlafen.

Ich hoffe, dass dir diese Ansätze einen ersten Impuls geben, einen liebevolleren Umgang mit dir selbst zu finden. Mache dir bitte bewusst, dass die Gewohnheit, schlecht über sich zu denken, tief verwurzelt sein kann und du deswegen viel Geduld haben darfst. All diese Schritte sind nicht einfach und können manchmal auch frustrierend oder beängstigend sein. Scheue dich nicht, dir professionelle Hilfe dabei zu suchen, genau dafür sind wir PsychologInnen da.

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